Freitag, September 23, 2005

Kriterien für lesenswerte Artikel

Für einmal ein Zitat. Dieses Zitat stammt aus der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia, von der Seite Kandidaten für lesenswerte Artikel, die Autorinnen können dort eingesehen werden:

Die folgenden Mindestkriterien müssen erfüllt sein


  • Das Thema des Artikels muss fachlich korrekt dargestellt werden und die Kernaspekte des Themas abgedeckt sein.
  • [...]

Und wer beurteilt das? Jedenfalls nicht die Fachleute des entsprechenden Bereichs. Oder wie käme es sonst, dass zwei von zwei lesenswerten Artikel aus dem Bereich der Soziologie fachlich nicht korrekt sind? Der Artikel Soziale Rolle, der zu drei Vierteln zum Genre der spekulativen Fiktion gehört, und Sozialstruktur, der zwar fachlich fundiert ist, jedoch nicht das Lemma, sondern ein völlig anderes Thema behandelt.
Was bei lesenwerten Artikeln toleriert wird
  • Eine Literaturliste auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist nicht notwendig, eine oder mehrere halbwegs passende Literaturstellen sind jedoch hilfreich.
  • Teilaspekte des Themas dürfen fehlen oder lückenhaft sein, z. B. bei Chemikalien die Geschichte, bei Länderartikeln die Flora und Fauna u. ä.
  • Bilder dürfen fehlen oder in nicht ausreichendem Maße vorhanden sein, wenn dies nicht das grundsätzliche Verständnis des Artikels auch für Fachleute verhindert, unpassende und wahllos eingestellte Bilder werden nicht toleriert.
  • Kleinere sprachliche Holprigkeiten und Schwächen werden toleriert, solange dies nicht das Verständnis erschwert.
  • ‚Fachchinesisch wird toleriert, wenn sonst die Darstellung des Themas erschwert wäre; auch wenn dies der Verständlichkeit für Laien schadet. Geschwurbel, Gefasel und aufgeblähtes Bla-Bla, das sich als Fachsprache ausgibt, wird nicht toleriert.

Zum letzten Punkt kann ich nur lachen. Noch einmal meine Frage: wer beurteilt das?!

Wollt ihr nicht lieber die zweite Liste auf einen Punkt eindampfen, der dafür der Realität der "lesenswerten Artikel" entspricht: "Toleriert wird jeder Artikel, der einigermassen lang ist, sich gut liest und hübsche Illustrationen hat".

P.S. Die Kriterien haben sich in der kurzen Zwischenzeit bereits geändert: "Die Wikipedia-Version ist im Gegensatz zur Wikiweise-Version vollständig und damit lesenswert." (hier)

Montag, September 12, 2005

Tabellen sind gut, Formatvorlagen sind besser...

...so erfahren wir z.B. über die Stadt Englewood (New Jersey)
"Nach dem amerikanischen Vermessungsbüro hat die Stadt eine Gesamtfläche von km², wovon km² Land und km² ( %) Wasser ist."
Enzyklopädie-Lesen bildet!

P.S. Aber es würde auch schon helfen, wenn wenigstens die Autor(inn)en des Lesens mächtig wären.

Samstag, September 10, 2005

Lerneffekt?

Null.

Ausgelöste Diskussionen?

Null.

Dafür will man nun unser aller Lieblingsinternetcommunity den Studierenden Deutschlands näherbringen.

Hoffentlich vergisst man dabei nicht, den betroffenen Studierenden zu sagen, dass man nichts glauben darf, was in der Enzyklopädie der Enzyklopädien steht. Denn wehe ihnen, sie benutzen diese als Informationsquelle für Semesterarbeiten und ähnliches...

Freitag, September 09, 2005

Ich bin entsetzt

Eigentlich braucht es ja viel, um die Autorin dieses Blogs aus der Fassung zu bringen. In Bezug auf unser aller Lieblingsinternetcommunity sowieso. Aber die sich abzeichnenden Resultate meiner kleinen, ethisch unhaltbaren, empirischen Forschung mit dem Ziel, meine gestrigen Fragen zu beantworten, lassen mich völlig ratlos zurück.
Neben der Tatsache, dass sämtliche Fragen mit "nein" beantwortet werden müssen bleiben nur zwei mögliche Interpretation übrig: a) die Leute lesen die Artikel gar nicht, über die sie abstimmen oder b) sie erkennen einen schlechten Artikel nur dann, wenn ein Textbaustein reingepappt ist, der besagt "das ist ein schlechter Artikel".
Was soll man davon halten?

Donnerstag, September 08, 2005

Amateure unter sich II - Entscheidungskriterien für Lesenswerte Artikel

Nach welchen Kriterien werden in der Wikipedia Lesenswerte Artikel - nach eigenen Aussagen sind diese Artikel "liebevoll gestaltet, erfüllen jedoch die mittlerweile sehr strengen Kriterien für einen Exzellenten Artikel (noch) nicht" - denn gekürt? Nach Fachkompetenz und fachlicher Richtigkeit kann nicht sein (siehe einen Eintrag weiter unten). Dann vielleicht doch wenigstens danach, was die Fachleute zum Thema zu sagen haben? Schauen die Abstimmenden auf die Diskussionsseite? Schauen sie in die Versionsgeschichte? Schauen sie vielleicht sogar auf die Benutzerseiten der Autor(inn)en, die an dem Artikel mitgeschrieben haben, um herauszufinden, ob diese das Thema kennen, über das sie schreiben? Fragen über Fragen und bisher keine Antworten.

Amateure unter sich

Auch Soziale Rolle wurde, wie der ähnlich brillante und hier bereits erwähnte Artikel Sozialstruktur (vergleiche bitte damit), mit grossem Beifall zum "Lesenswerten Artikel" gewählt und nun sogar als exzellenter Artikel vorgeschlagen. Nur ein Tip: Ebenso wie Sozialstruktur ist dieser Artikel weder lesenswert, noch exzellent. Wie bei diesem handelt es sich um in schönen Worten kaschierte warme Luft, geschrieben von jemandem, der weder von Soziologie noch von Sozialpsychologie Ahnung hat. Fachlich falsch, lückenhaft, bis auf einen Absatz völlig am Thema vorbei.

Aber er liest sich wirklich gut!

Dienstag, September 06, 2005

Mal was Ernstes: Der neue Selbstbeweihräucherungswikireader

Unser aller Lieblingsenzyklopädie schreibt ein Buch über sich selber. Das ist eine gute Nachricht. Aber hält die werte Schreiberschaft denn dabei auch den NPOV ein? Na ratet mal: Das Thema ist gar nicht auf der Liste! Na welche Überraschung aber auch! So ist das halt bei der Wikipedia: Man ist fan oder tot.
Dieses Phänomen ist auch aus anderen sozialen Gruppen bekannt, die relativ hohe Investitionen an persönlichem Engagement verlangen, von dem her ist die Sozialwissenschaftlerin darüber nicht wirklich überrascht. Ohne ein starkes "Wir-Gefühl" könnte die Sache gar nicht funktionieren und ernsthafte Selbstreflektion stört dabei nur.
Trotzdem: Dass es ein Projekt, bei dem nur gerade 566 von 285539 Artikeln (Stand heute abend) überhaupt des Lesens wert sind, nicht fertigbringt, die Wartungsseiten mit ins Kapitel "Qualitätssicherung" aufzunehmen, finde ich doch arg befremdlich. Wir finden dort:
Wo bleiben die schlechten Artikel? Fürchten sich die Autor(inn)en des WikiReaders etwa, diese zu erwähnen, weil das Risiko besteht, dass es ihnen ansonsten so ergehen würde wie Uli, Paddy und anderen Verrätern Kritikern?

Ach, ich vergass: Die Wikipedia hat keine schlechten Artikel!

Zufälliger Artikel des Tages: Carol Beach York

Da sind wir ja gespannt. Was steht denn über diese interessante Jugenbuchautorin in der Wikipedia?

"Dieser Artikel ist sehr kurz und möglicherweise inhaltlich noch sehr unvollständig. Hilf der Wikipedia, indem du ihn erweiterst und ihn jetzt bearbeitest!"


Huch?

Ah, hier geht's weiter:

Carol Beach York (* Chicago) ist eine Autorin von Jugendliteratur. Sie inspirierte die Band Good Charlotte bei deren Namensgebung.


Wenigstens konnte sie jemandem behilflich sein, das ist nett. Ich habe auch schon Bands inspiriert, das war damals, als ich während meines Studiums als Roadie arbeitete. Man hat sogar einen Hurrikan nach meinem schlechten Charakter benannt! Kriege ich denn dafür keinen Wikipedia-Eintrag?

P.S. Leute, die Frau tat einiges mehr als eine Band bei deren Namensgebung zu inspirieren.
P.P.S. Löscht eigentlich niemand mehr solchen Mist?
P.P.P.S. Früher hiess es wenigstens noch: "Die Bedeutung der Person muss im Artikel drin stehen"
P.P.P.P.S. Sind jetzt alle vernunftbegaben Admins abgewandert?

Montag, September 05, 2005

Lektüre bildet

Heute wollte ich etwas über George Eads erfahren, den Schauspieler, der den schnuckeligen Nick in CSI - Las Vegas spielt und stiess dabei auf einen sehr, sehr typischen Wikipedia-Artikel (es gibt Zehntausende davon):

George Eads (eigentlich: George Coleman Eads III; * 1. März 1967 in Fort Worth, Texas) ist ein US-amerikanischer Schauspieler.

Ähm, ja. Das war der Artikel. Nicht etwa ein Ausschnitt, sondern der ganze Artikel, abzüglich einem Hinweis an die werte Leserschaft, dass es sich tatsächlich um einen sehr kurzen, möglicherweise sehr unvollständigen Artikel handelt; Ein Hinweis nota bene, der länger ist, als der Artikel selber. Die dumme Leserschaft ist sicherlich froh über diesen Hinweis, ansonsten hätte sie bei der Lektüre des Artikels überhaupt nichts dazugelernt. Danke, danke, danke Wikipedia!

Samstag, September 03, 2005

NPOV über wissenschaftliche Belege

Im Namen NPOVs dürfen in der Wikipedia wissenschaftliche Belege, Quellen und Studien nun nicht mehr einfach dargestellt - und die Beurteilung den Leserinnen und Lesern überlassen - werden, nein, im Namen der Neutralität werden nun Formulierungen à la "X und Y haben in der Studie Dingsda 1990 eine Beziehung zwischen A und B feststellen können" umformuliert. In Zukunft muss das heissen: "X und Y meinen eine Beziehung festgestellt zu haben". Im entsprechenden Artikel lernen wir zudem noch viel mehr: Die Fragestellung ist falsch! Deshalb also meinen die Autorinnen der Studie. Denn:
Es wird nach konkreten Personen gefragt, nicht nach Funktionsträgern, bei denen das Geschlecht keine Rolle spielt. Wenn also z.B. vor einer Wahl gefragt wird, "welchen Kandidaten würden Sie wählen", ist keine konkrete Person, sondern ein Funktionsträger gemeint.

Eine Romanfigur ist demnach eine konkrete Person mit einem Geschlecht, während Schröder und Merkel keine konkreten Personen sind, sondern als Kanzlerkandidaten "Funktionsträger, bei denen das Geschlecht keine Rolle spielt".

Meine bescheidene Meinung zu dieser Argumentation? Ich meine, der Autor dieses Textes meine eine sehr hohe Meinung über seine Fähigkeit, statistisches Zahlenmaterial oder gar eine wissenschaftliche Studie beurteilen zu können zu haben. Trotzdem muss seine Meinung natürlich respektiert und in einen Wikipediatext integriert werden. Es lebe der NPOV!